Hotel
Alte Liebe
»Sollten wir nicht langsam umkehren?« Das Mädchen deutete in Richtung Duhnen
und Döse, wo die Lichter der Häuser und Straßenlampen allmählich zu einer
glitzernden Skyline verschmolzen. »Es ist schon dunkel. Außerdem kommt das
Meer bald mit der nächsten Flut.« Er kicherte und deutete zu einer der
Rettungsbaken, die nicht weit vor ihnen aus dem Watt ragte. »Ich wollte schon
immer mal auf so einem Ding übernachten.« Dann griff er nach der Hand des
Mädchens und zog es zu sich heran. »Komm, lass uns hingehen. Danach kehren wir
um.«
»Danach?« Die Frage der jungen Frau klang ein wenig anzüglich. »Hast du etwas
Bestimmtes vor?« Ohne die Antwort abzuwarten, entwand sie sich ihm lachend und
lief einige Schritte voraus. »Wahrscheinlich ist es da oben ziemlich
unbequem.«
»Probieren geht über Studieren!«, rief er und folgte ihr. Dieses Geplänkel
ging schon fast eine halbe Stunde so. Und wenn er sich nicht ganz gewaltig
täuschte, war die hübsche Kleine, die er erst vor wenigen Stunden kennen
gelernt hatte, sich ihrer Worte durchaus bewusst. Zuerst hatten sie über das
Hotel gesprochen, ihre Eindrücke von der Stadt Cuxhaven und von den Stränden
in Döse, Duhnen und Sahlenburg, über Wattwagen und die Insel Neuwerk
ausgetauscht. Dann hatte sie ihn nach seiner Familie gefragt und erzählt, dass
sie Studentin war und hier einem Ferienjob nachging. Sie war also um die
zwanzig, halb so alt wie er. Sie war groß, schlank, und hatte die Figur eines
Models. Er war sofort von ihr fasziniert gewesen, hatte ihr Lächeln und ihre
Blicke aber erst nach und nach verstanden. Und noch jetzt erschien es ihm kaum
fassbar, dass sie sich mit ihm zu einer Wattwanderung verabredet hatte. Bis
zuletzt hatte er daran gezweifelt, dass sie tatsächlich zur vereinbarten Zeit
am vereinbarten Treffpunkt auftauchen würde. Doch dann hatte ihr Anblick ihm
fast den Atem geraubt. Die langen honigfarbenen Haare fielen glatt über die
Schultern, unter dem Pony blitzten mandelförmige braune Augen. Er bewunderte
ihre formvollendeten roten Lippen unter der schmalen, geraden Nase. Ein
Gesicht, wie er es lange nicht aus der Nähe gesehen oder gar berührt hatte.
Ohne zu zögern war sie zu ihm ins Auto gestiegen, hatte vorgeschlagen, nach
Sahlenburg zu fahren, um von dort aus ein Stück in Richtung Neuwerk zu
wandern.
Und nun waren sie hier, umgeben von der Weite des Wattenmeeres, unter einem
klaren Sternenhimmel, trugen die Schuhe in den Händen und ließen sich treiben.
Krallten die Zehen in den kühlen Wattboden, patschten durch flache Pfützen,
umrundeten Priele. Sie erreichte die Rettungsbake vor ihm und lehnte sich mit
dem Rücken gegen die Metallsprossen der Leiter, die nach oben in den
Rettungskorb führte. Sein Atem ging rasch, als er sie eingeholt hatte, über
ihrem Kopf die Sprossen der Leiter erfasste und seinen Körper nur mit Mühe
daran hindern konnte, sie mit aller Kraft gegen die Leiter zu pressen. Sie
verströmte einen betörenden Duft, ihre Augen glänzten. Nicht nur die schnellen
Schritte hatten seinen Puls in die Höhe getrieben. Ihre Nähe, ihr Lachen, ihre
Berührungen hatten ihn in einen Zustand kaum zu verbergender Erregung
versetzt. Langsam und mit einer Abwehrbewegung rechnend, näherte er seinen
Mund ihrer Halsbeuge. Als seine Lippen ihre Haut berührten, stöhnte sie leise,
und er spürte ihre Hand auf seinem Geschlecht. Das Blut pulsierte in seinen
Adern, er drückte sich gegen ihren weichen Körper, suchte ihre Lippen. Sie
öffnete den Mund, erwiderte den Druck, drehte lasziv ihre Hüften. In diesem
Augenblick spürte er weder die Bewegung ihrer Hände noch den Ring, der sich um
sein Handgelenk legte. Erst als sie nach unten wegtauchte, sich ihm entwand
und plötzlich einen halben Meter neben ihm stand, stach ein feiner Schmerz in
das Gelenk. Er verstand nicht, versuchte ihr zu folgen, wurde festgehalten,
zerrte gegen den Widerstand an. Dann die Erkenntnis. Sie hatte ihn an eine
Leitersprosse gefesselt. Mit einer Handschelle. Ein Spiel! Die Überraschung
ließ ihn einen unkontrollierten Laut ausstoßen. Fesselspiele gehörten nicht zu
seinem sexuellen Erfahrungsschatz. Eine neue Gier erfasste ihn. Was hatte sie
vor? Sein Blut schoss in die Lenden, geradezu schmerzhaft spürte er die
Schwellung, alles in ihm drängte auf Erlösung. »Komm«, keuchte er. »Mach
weiter! Ich halte es nicht mehr aus.«
»Gib mir dein Handy!« Mit der freien Hand zog er das Telefon aus der Tasche.
Sie nahm es ihm ab und trat ein paar Schritte zurück. »Und jetzt?«, keuchte
er. Sie musterte ihn. Ihr Blick war kalt. »Ich bin fertig.« Er lachte. »Wie –
fertig? Jetzt geht es doch erst los. Komm zu mir! Ich mache dich fertig. Aber
richtig. Ich bin so was von heiß!«
»Das wird sich bald ändern«, erklärte sie kühl. »Die Flut wird dich
erfrischen. Dauert nicht mehr lange, bis sie kommt.«
»Die Flut? Was soll das? Welche Flut?«
»Das ewige Spiel der Meere. Ebbe und Flut. Wasser kommt und geht. In einer
halben Stunde umspült es deine Füße, steigt weiter an, erreicht deine Knie,
deine Eier, deinen Bauch, deine Brust. Schließlich Mund und Nase. Am Anfang
kannst du noch nach jeder Welle Luft schnappen, dann wirst du die Luft
anhalten. Die Atemnot wird unerträglich. Du versuchst, dagegen anzugehen, doch
in deiner Lunge steigt der Druck des Kohlendioxids, du musst nachgeben. Du
atmest Wasser, schluckst, hustest, röchelst, erstickst.«
Rote Straße
Professor Aschenbrandt erreichte
seinen Mercedes, ließ sich auf den Fahrersitz fallen und klappte sein
Mobiltelefon auf. Doch anstatt die Nachricht aufzurufen, ließ er die Fotos
noch einmal durchlaufen, die Claudia in einem Anfall von Übermut geschossen
hatte. Sie und er, Wange an Wange, mit nackten Oberkörpern; Claudia mit zum
Kussmund gespitzten Lippen; dann er, mit verdrehten Augen unter ihr und – nach
dem Liebesspiel – ermattet auf dem Bettlaken. Zuletzt noch einmal beide
nebeneinander, Kopf an Kopf, auf dem Rücken liegend. Auf dem winzigen Display
waren Details kaum zu erkennen, man müsste die Bilder vergrößern. Aber das war
zu riskant. Früher hatte er Fotos von seinen Affären und auch das eine oder
andere sehr private Video auf seinem Dienstcomputer gespeichert. Doch nachdem
bei einem Professorenkollegen aus der Medizin Kinderpornos aus dem Internet
auf dessen Bürorechner gefunden worden waren, hatte er alle problematischen
Dateien gelöscht. Die Bilder auf dem Handy würde er wohl auch besser
irgendwann wieder löschen.
Aschenbrandt seufzte und rief die
eingegangene Nachricht auf. Als der Text auf dem Display erschien, erfasste
ihn ein Schwindelgefühl: Zu so später Stunde noch im Hotel! Und nicht allein!
Was wohl deine Frau dazu sagen würde?
Je länger er auf die Zeilen starrte,
desto stärker wurde der Druck in der Magengegend. Niemand konnte wissen, dass
er heute hier mit Claudia verabredet war. In Hotels trafen sie sich selten und
niemals ein zweites Mal im selben Haus. Falls jemand sein Verhältnis zu der
Studentin entdeckt und ihn beobachtet hatte, musste er ihm gefolgt sein.
Aschenbrandt starrte durch die Windschutzscheibe nach draußen, versuchte im
Rückspiegel zu erkennen, ob irgendwo in der Straße ein Wagen stand, dessen
Fahrer auf ihn gewartet haben könnte, um ihm die SMS in diesem Augenblick zu
senden. Doch weit und breit war kein Fahrzeug zu sehen. Ein Taxi rollte heran,
hielt vor dem Hotel. Der Fahrgast zahlte, stieg aus und verschwand im
Eingangsbereich, ohne sich umzusehen.
Aschenbrandt startete den Motor,
schaltete das Licht ein und ließ den Wagen langsam anrollen. Immer wieder
wanderte sein Blick zum Rückspiegel, doch niemand schien ihm zu folgen.
Nachdem er die Innenstadt erreicht
und den Mercedes in Richtung Geismartor gelenkt hatte, ohne dass er einen
Verfolger be- merkt hatte, beruhigten sich seine Nerven ein wenig. Vielleicht
war die SMS gar nicht für ihn bestimmt gewesen. Jemand konnte sich vertippt
haben. Ein Zahlendreher. Der Absender erfuhr nicht, ob seine Nachricht den
Adressaten erreicht hatte. Ohnehin kannten nur wenige Menschen seine
Handy-Nummer. In Gedanken ging er alle Möglichkeiten durch. Außer seiner Frau
und den Kindern wussten nur ein paar Kollegen, seine Sekretärin, der
Seminarvorstand und die Sekretärin des Seminars, das Dekanat der Fakultät und
einige Freunde, wie er per Mobilfunk zu erreichen war. Und natürlich Claudia.
Sie hatte das Hotelzimmer zehn Minuten vor ihm verlassen. Ob sie ihn auf den
Arm nehmen wollte? Manchmal hatte sie eigenwillige Ideen.
Beinah hätte er das Lenkrad verrissen
und wäre mit dem schweren Wagen auf den Mittelstreifen geraten. Die Nummer des
Absenders! Er hatte überhaupt nicht auf die Zahlen geachtet!
Während er bemüht war, sich richtig einzuordnen und die Spur zu halten,
tastete er nach dem Handy und klappte es auf. Die Ampel an der Reinhäuser
Landstraße kam ihm zu Hilfe. Es dauerte eine Weile, bis er die Nachricht
wiedergefunden hatte. Enttäuscht ließ er das Mobiltelefon auf den
Beifahrersitz sinken. Als Absender war angegeben: meph@submarine.sms.com.
Erneut warf er einen Blick in den
Rückspiegel. Hinter ihm hielt ein dunkler Mittelklassewagen, am Steuer saß ein
junger Mann, der Kopf und Hände im Rhythmus einer Musik bewegte, deren dumpfes
Dröhnen bis an Aschenbrandts Ohren drang. Ein Student? Nicht ausgeschlossen.
Er würde ihn im Auge behalten. Doch als er die Geismarlandstraße einbog, fuhr
der junge Mann geradeaus in die Keplerstraße.
Auf der Höhe der Gothaer Versicherung
schloss plötzlich ein anderer Wagen auf und blieb dicht hinter ihm. Er folgte
ihm noch, als Aschenbrandt in Geismar in die Teichstraße einbog. Sein Puls
schoss in die Höhe, im Nacken und auf der Stirn spürte er Schweißtropfen.
Fieberhaft suchte er nach einer Möglichkeit, den Verfolger abzuschütteln.
Sollte er einfach anhalten und abwarten? Oder in eine Seitenstraße einbiegen?
Nur mit Mühe widerstand er der Versuchung, das Gaspedal durchzutreten, um den
anderen Wagen abzuhängen.
Schließlich erschien ihm ein
einfacher Trick als die Lösung. Er würde einen Umweg über die Charlottenburger
Straße fahren, den Wagen unterhalb des Wohnstifts abstellen und die letzten
Meter zu seinem Haus im Meininger Weg zu Fuß zurücklegen. Plötzlich war der
Verfolger verschwunden. Aschenbrandt stoppte und sah sich um. Weit und breit
war kein Auto zu sehen. Erleichtert wischte er mit dem Taschentuch über Stirn
und Nacken und setzte seine Fahrt fort. War es doch nur ein Hirngespinst
gewesen?
Als er den Wagen in den Carport
rangierte, meldete sich sein Handy erneut. Diesmal ertönten einige Takte aus
Mozarts Zauberflöte. Dreimal klimperten klavierähnliche Töne die Papageno-
Melodie, dann drückte er die Annahmetaste. In dem Augenblick sah er, dass die
Rufnummer des Anrufers unterdrückt war. Aschenbrandt zögerte einige Sekunden
und meldete sich dann mit einem »Ja?«
»Alle Achtung, Professor Faust! In
deinem Alter noch Studentinnen poppen!« Der Anrufer kicherte. »Das nennt man
wohl reife Leistung. Auch wenn das Gretchen nicht mehr ganz so jung ist. Wir
sehen uns in der Walpurgisnacht.« Mit einem Piepton brach das Gespräch ab.
Weinbergbunker
Nach und nach leerte sich der Wagen. Hausfrauen
mit Einkaufstaschen und prallen Plastiktüten, Männer, die müde vor sich hin
gestarrt hatten, verließen die Tram. Niemand nahm ihre Plätze ein. Benjamin
schloss die Augen und stellte sich vor, als einsamer Straßenbahnfahrer einen
leeren Zug durch die Nacht zu steuern, der ganz allein ihm gehörte und von
keiner letzten Station aufgehalten würde.
Er fuhr bis zur Endstation und musste das
letzte Stück zu Fuß zurücklegen. Szenen aus dem Film liefen vor seinem inneren
Auge ab. Rémy, die Ratte, fegte wie ein Wirbelwind durch die Küche, brachte
alles durcheinander und die Köche ins Schwitzen. Benjamin lächelte
unwillkürlich.
"He, Alter, was grinst du so blöd? Mach Platz!"
Vier junge Männer mit Glatzen, in grünen Jacken
und schwarzen Hosen brachen in meckerndes Gelächter aus, als Benjamin
erschreckt zurückzuckte. Er wollte ausweichen, doch sie schnitten ihm den Weg
ab und ließen keine Lücke, durch die er hätte schlüpfen können. Breitbeinig
bauten sich zwei der Männer vor ihm auf, während die anderen Bierdosen aus
ihren Jackentaschen kramten. Mit den Zähnen rissen sie die Verschlüsse ab und
spuckten sie auf den Boden. Benjamin sah sich um, aber weit und breit war
niemand, der ihm hätte helfen können.
Langsam bewegte er sich rückwärts. Plötzlich
fuhr ihm ein Stiefel zwischen die Füße und brachte ihn aus dem Gleichgewicht.
Er taumelte und fiel zu Boden. Die Glatzköpfe lachten.
"Alter, du musst erst fragen, ob du gehen
darfst. Sag schön bitte, bitte zum Onkel", zischte einer mit Bierdunstatem
dicht an seinem Ohr. Benjamin schüttelte den Kopf.
"Sieh da, der Kanake will nicht hören."
Blitzschnell umfassten zwei der Angreifer seine
Arme, ein dritter griff in seine Hosen- und Jackentaschen. Den Inhalt warfen
sie ihrem Anführer zu. Der hielt einen Zwanzig-Euro-Schein, eine
KVG-Monatskarte und einen Zettel mit der Adresse eines Zahnarztes hoch.
"Schau, schau, das ist wohl dein Freier, du
alte Sau. Lässt sich von schwulen Untermenschen in den Arsch ficken und mit
zwanzig Eiern abspeisen. Der ist ja nicht nur versaut, der ist auch noch
bekloppt!"
Wieder gab es Gelächter. Geld und Papiere
verschwanden in den Taschen des Anführers.
"Wir sollten ihm einen auf den Arsch
verpassen!", schrie einer der Glatzköpfe, "dann ist erst mal Sense mit der
Sauerei."
Erwartungsvoll blickten alle zum Anführer.
"Gute Idee", nickte der schließlich, "jeder darf dreimal. Dreht den Kanaken
um, und dann ran an den Arsch."
Als sich die Griffe lockerten, reagierte
Benjamin blitzschnell. Er ließ sich einfach fallen und schlängelte sich durch
die gespreizten Beine seiner Peiniger. Da traf ihn von hinten ein Schlag an
seinem Kopf. Benjamin taumelte, griff ins Leere und fiel der Länge nach auf
den Weg. Er spürte, wie er an den Füßen gepackt und in einen Hauseingang
geschleift wurde. Dort ließen sie ihn fallen. Instinktiv verharrte er
regungslos, beobachtete seine Peiniger aber aus den Augenwinkeln. Mit lautem
Gejohle begrüßten sie eine Anweisung des Anführers.
Dann näherten sich zwei paar Stiefel. Benjamin
wusste nicht, was die Männer vorhatten, aber er ahnte, dass sie ihn quälen
würden. Inzwischen war sein Kampfgeist geweckt. Unmerklich hatte er die Beine
angezogen und die Muskeln angespannt. Als sich einer über ihn beugte, um ihn
zu packen, schnellte Benjamin hoch und stieß ihm seinen Kopf gegen die Nase.
Es krachte, und mit einem Aufschrei zuckte der Mann zurück, drehte sich, seine
blutende Nase mit beiden Händen haltend, aufheulend einmal um sich selbst und
schwankte gegen die Hauswand. Der andere blickte verständnislos zwischen
seinem Kumpan und Benjamin hin und her. Benjamin nutzte die Schrecksekunde,
sprang auf und hechtete auf den Gehweg.
Zwei der Glatzköpfe warfen sich auf ihn und
drückten ihn zu Boden. Ohne ein Wort zog einer von ihnen ein Messer aus der
Tasche und hielt es Benjamin vor die Augen. Dann fassten sie unter seine Arme,
zogen ihn hoch und zerrten ihn zurück in den Hauseingang.
Trotz der Messerklinge, die er an seinem Rücken
spürte, begann Benjamin sich zu sperren. Der Druck der Klinge wurde stärker,
er spürte, wie die Spitze seine Haut durchdrang. Panik erfasste ihn, und ohne
es wirklich zu wollen, begann er, um Hilfe zu schreien. Doch niemand schien
ihn zu hören. Sie warfen ihn auf den Boden, einer stellte ihm den Fuß in den
Nacken. Sekunden später wurde Benjamin wieder hochgezerrt, vier Paar Hände
umklammerten seine Arme, drückten sein Gesicht gegen die Hauswand.
"Los geht's!" Die Tritte der schweren Stiefel
ließen den Körper des Jungen aufbäumen und wieder zusammensacken. Benjamin war
verstummt. Er biss sich auf die Lippen, seine Schmerzen wollte er auf keinen
Fall zeigen. Der letzte der mit Bedacht gezielten Tritte traf nicht nur sein
Gesäß. In Sekundenbruchteilen breitete sich die Schmerzwelle von den Hoden bis
zum Hirn aus, er hatte einen Augenblick lang das Gefühl, sein Körper würde zu
einer riesigen Schwellung aufgepumpt und müsste platzen, dann verlor er das
Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, hörte Benjamin
verschwommen das Gegröle und Gelächter seiner Peiniger. Vorsichtig schob er
sich zur Wand und richtete sich auf. Er schmeckte Blut. Die Männer schienen
keine Notiz von ihm zu nehmen.
Doch plötzlich wurde einer von ihnen
aufmerksam. Mit der Bierdose zeigte er auf Benjamin. "Der Kanake kriecht schon
wieder!", rief er seinen Kumpanen zu und nahm das Opfer in Augenschein, als
wolle er die Wirkung der Misshandlung prüfen. Benjamin erwartete einen
weiteren Angriff, spannte alle Muskeln und stützte sich gegen die Wand. Als
der Glatzköpfige auf Schrittlänge herangekommen war, bot er alle seine
verbliebenen Kräfte auf, stieß sich ab, schnellte von der Wand und sprang mit
beiden Füßen gegen das Standbein des Mannes.
Es krachte vernehmlich, das Bein knickte nach
hinten, der Mann fiel schreiend zu Boden. Die anderen erhoben sich und
starrten verblüfft auf ihren jaulenden Kumpan. "Das Schwein hat Sascha
verletzt! Macht ihn fertig!"
Mit Gebrüll stürzten sie sich auf ihn.
Blindwütig schlugen und traten sie auf ihn ein. Er war schneller und
gelenkiger, einen Teil der Schläge konnte er abwehren, auch als ihm das Messer
in den Unterarm fuhr, parierte er mit Händen und Füßen weiter die Angriffe.
Doch dann zog einer der Männer eine Stahlrute. Der Schlag traf seinen Kopf und
raubte ihm augenblicklich alle Sinne. Leblos sackte Benjamin zusammen.
Er hörte nicht, was die Männer beratschlagten,
sah nicht, wer ihn an Armen und Beinen packte, fühlte nicht, wie sein Körper
auf den Asphalt der Straße aufschlug.
Eiskalter Sommer
Er hätte ihn schon früher
umbringen können.
Doch damit hätte er die
Zeit des Hochgefühls verkürzt, das ihnseit Wochen begleitete. Es wurde aus
eben diesem Abwarten gespeist, das er sich und seinem Opfer gönnte. Das
Bewusstsein, den tödlichen Akt jederzeit vollziehen zu können, verschaffte ihm
ein Gefühl tiefer Befriedigung. Aber dieser Reiz ließ nach. Und darum wollte
er endlich jenes noch unbekannte Gefühl der Macht und Genugtuung kosten, ihn
durch seine Hand sterben zu sehen.
An seinem letzten Tag
erwachte Evers früher als sonst. Er schlug die Augen auf, schloss sie aber
wegen der Helligkeit sofort wieder. Einige Atemzüge später versuchte er es
erneut. Mit leicht zusammengekniffenen Lidern hob er den Kopf, um die Uhrzeit
abzulesen. Was die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster der
Dachgeschosswohnung ankündigten, bestätigten die Zeiger des Weckers: Nur noch
eine Stunde bis zum Aufstehen. Und er hatte gerade so schön geträumt. Sein
Kopf sank zurück. Wie gern wäre er zu seinem Traum zurückgekehrt! Zu dieser
Frau, ihrer leidenschaftlichen Hingabe und Ekstase. Sie war sehr jung, sie
hatte ein Gesicht und einen Namen. Stefanie. Doch die Bilder ließen sich
ebenso wenig wieder heraufbeschwören wie die Zuneigung der jungen Frau
zurückzugewinnen war. Ein bitteres Gefühl war alles, was ihm blieb. Und eine
Erektion. Zunehmender Druck der Blase ließ ihn kapitulieren. Er warf das Laken
von sich, unter dem er gelegen hatte, eine Decke wäre zu warm gewesen, und
bemerkte die Schweißflecken im Stoff. Auch seine Haut war feucht. Die Hitze
war auch über Nacht nicht aus den Räumen gewichen, obwohl er am Abend
sämtliche Fenster geöffnet hatte. Seit Tagen ging das nun schon so. Ganz
Deutschland stöhnte unter der Hitzewelle, selbst an der Nordseeküste wurde
tagsüber die Dreißig-Grad-Marke überschritten. Noch nie war Evers so froh
gewesen, einen Arbeitsplatz zu haben, an dem er sich bei Bedarf abkühlen
konnte. Nur die Wohnung wurde von Tag zu Tag wärmer. Er rollte aus dem Bett
und bewegte sich steifbeinig zum Bad. Auf dem Rückweg zog er die Vorhänge auf
der Sonnenseite zu und nahm eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank mit.
Während er trank, entschloss er sich, nicht wieder ins Bett zurückzukehren.
Schlafen würde er doch nicht mehr können, vielleicht sollte er die Zeit
nutzen, um die Wohnung aufzuräumen. Sie hatte es nötig. Überall lagen
Kleidungstücke herum, und auf dem Balkon standen noch die leeren Bierflaschen
vom Vorabend. Ein überfüllter Aschenbecher schrie nach Entleerung. Ohne Frau
bestand das Leben nach Feierabend nur noch aus Essen, Trinken, Rauchen. Ein
ziemlich beschissenes Leben. Automatisch schaltete Evers das Radio ein. Bremen
eins spielte Abba. Halblaut sang er mit, während er seine Wohnung in Ordnung
brachte. „Waterloo – I was defeated, you won the war. Waterloo – promise to
love you for ever more …” Das musste 1974 gewesen sein. Der Beginn seiner
heißen Zeit. Bei „Waterloo“ war er zum ersten Mal einem Mädchen nähergekommen.
Andrea Michalski. Ihren Namen würde er wohl bis zum Grab in Erinnerung
behalten. Sie war etwas älter gewesen. Ein Jahr oder zwei. Nur ein paar Tage
hatte die Affäre gedauert. Aber außer heftiger Knutscherei und ausgiebigem
Fummeln war nichts passiert. Er hatte sich natürlich mehr erhofft, aber sie
hatte ihn schließlich sitzenlassen. Wegen eines älteren Jungen.
Ein Wort des
Nachrichtensprechers unterbrach seine Erinnerungen. Der Name seiner Firma war
gefallen. Evers stürzte zum Radio und drehte die Lautstärke höher.
„... teilte ein Sprecher
der Banken in einer gestern Abend per E-Mail verbreiteten Presseerklärung mit,
dass die Fischverarbeitung eingestellt werden soll, weil sie nicht mehr
rentabel sei. Der Unternehmensteil Tiefkühl-Logistik werde jedoch unter dem
neuen Namen CuxFrost weitergeführt. Diese Sparte sei europaweit gut eingeführt
und bewege sich mit ihren Umsätzen im Spitzenfeld der Branche. Die
konventionelle Herstellung von Fischprodukten dagegen habe in Cuxhaven keine
Zukunft, weil die Arbeitskosten zu hoch seien. Zur Zukunft der betroffenen
Arbeitnehmer machte der Sprecher keine Angaben. Es sei Sache der
Unternehmensleitung.
Achtlos ließ Evers fallen,
was er in den Händen hielt. Sie haben uns verarscht. Die Verhandlungen,
Überzeugungsarbeit bei den Kollegen, nächtliche Sitzungen, unzählige Gespräche
– alles für die Katz.
Johannisfeuer
Er würde ihn umbringen. So
viel stand fest. Und vorher würde er ihm die Seiten des Mathematikbuches
einzelnen ins Maul stopfen. Er hasste keinen Menschen so sehr wie
Oberstudienrat Sass. Genüsslich malte er sich aus, wie der Lehrer um Gnade
wimmern würde, wenn er, Oliver Matusch, auf der Brust des Mannes kniend, mit
der Spitze der Messerklinge den Hals des Folterers ritzte und ihm befahl, die
Scheiße zu fressen, mit der er jahrelang seine Schüler gequält hatte.
Zu Beginn der ersten Stunde
hatten sie noch gelacht, als sich der neue Mathematiklehrer vorgestellt hatte.
„Mein Name ist Sass. Oberstudienrat. Merkt euch den Namen und merkt euch
Folgendes: Es gibt geniale Menschen – der Namensgeber unserer Schule war so
einer – es gibt begabte Menschen und es gibt weniger begabte Menschen. Und
andere, die kapieren Mathematik ihr ganzes Leben nicht, die haben den Kopf nur
zum Haare Schneiden.“
An dieser Stelle hatte er sich
vor der Klasse aufgebaut und die Schülerinnen und Schüler mit kaltem Blick
gemustert. Sass war nicht sehr groß, darum hielt er sich gerade und trug
Schuhe mit hohen Absätzen. Sein Anzug saß perfekt und wirkte edel. Die
Krawatte ebenso. Oliver kannte keinen anderen Lehrer, der so viel Wert auf
sein Äußeres legte.
Das Lachen war rasch
verstummt. Und als es ganz still geworden war, hatte Sass hinzugefügt: „In den
meisten Klassen sitzen hauptsächlich Vertreter der letzten Kategorie.
Heutzutage darf ja jeder aufs Gymnasium gehen. Aber, Herrschaften, nicht jeder
darf davon ausgehen, dass er die Oberstufe erreicht.“ Erneut hatte er seinen
Blick über die Jugendlichen schweifen lassen. „Mindestens ein Drittel von euch
wird in den nächsten drei Jahren aussortiert. Dafür werde ich sorgen.“
Noch besser wäre
Verbrennen. Bei lebendigem Leibe. Oder mit dem Brennglas Löcher in die Haut.
Ja, erst in die Haut, dann in ...
Oliver schrak aus seinen
Träumen, als das Klassenbuch aufs Pult klatschte. Sass hatte eingetragen, aber
die Stunde war noch nicht zu Ende. Und das bedeutete, dass noch eine von
seinen speziellen Aufgaben kommen würde. Dazu würde er einen aus der Klasse
herauspicken, der die Lösung an der Tafel vorführen musste.
Unwillkürlich rutschte Oliver
auf seinem Stuhl tiefer und suchte Deckung hinter dem Vordermann.
„Göttingen hat derzeit
131.629 Einwohner. Davon sind 30.722 Studenten .”
Sass schrieb die Zahlen an die Tafel. „Drei Siebtel davon sind zu dämlich zum
Studieren, brechen das Studium ab und verlassen die Stadt. Um wie viel Prozent
schrumpft dadurch Göttingens Einwohnerzahl?”
Prozentrechnung und
Bruchrechnung in einer Aufgabe. Eine der typischen Gemeinheiten von
Oberstudienrat Sass. Oliver starrte auf die Zahlen. Zuerst musste man wohl die
Studenten von der Einwohnerzahl abziehen. Und dann? Wahrscheinlich die drei
Siebtel berechnen. Von den 30.722. Vielleicht würde er die Aufgabe doch lösen
können. Wenigstens den richtigen Ansatz schaffen. Wer die ersten Schritte
überzeugend vortragen konnte, würde sofort abgelöst werden. Und Sass würde
sich ein anderes Opfer suchen, um anhand der schwierigen Rechnerei
vorzuführen, wie unfähig der Schüler war. Oder die Schülerin. Er ließ keine
Gelegenheit aus, den Mädchen zu beweisen, wie hoffnungslos der Versuch war,
ihnen die Geheimnisse der Mathematik näher zu bringen.
Oliver Matusch duckte sich
noch etwas tiefer. Hoffentlich nimmt er ein Mädchen dran. Am besten die
dicke Jennifer. Das wäre wenigstens noch witzig. Jenni würde mit ihrem
fetten Hintern wackeln, mit den bemalten Augenlidern klimpern und am Ende
heulen, weil Sass sie wieder fragen würde, ob sie inzwischen in der Lage sei,
ihren Body-Mass-Index zu berechnen. Oder Sandra. Sandra würde das Blaue
vom Himmel reden und wild und ziellos drauflosrechnen. Manchmal reizte sie
Sass bis zur Weißglut. Sie war die Einzige in der Klasse, die sich von den
giftigen Spitzen des Lehrers nicht beeindrucken ließ. Selbst wenn sie sich
eine Sechs eingefangen hatte, tänzelte sie ungerührt zu ihrem Platz
zurück und ließ sich wie eine Siegerin auf ihrem Stuhl nieder. Sie konnte sich
das leisten, denn sie stand in allen anderen Fächern sehr gut.
„Oliver Matusch!“
Er brauchte einige Sekunden, um die Situation zu erfassen. War er wirklich
gemeint? Oliver sah sich vorsichtig um. Zahlreiche Augenpaare richteten sich
auf ihn. Erwartungsvoll. Erleichtert. Einige mitleidig, andere hämisch. Die
Situation war eindeutig: Er war dran.
Langsam schob er sich höher, beugte sich vor, um aufzustehen, verharrte
sekundenlang in der wahnwitzigen Hoffnung, dass ein Wunder geschehen und
irgendetwas oder irgendjemand ihn retten würde, erhob sich schließlich und
setzte einen Fuß vor den anderen. Richtung Aufgabe.
„Nicht einschlafen, Matusch!“ Der Lehrer pochte mit den Fingerknöcheln gegen
die Wandtafel. „Die Pause beginnt erst, wenn diese Aufgabe gelöst ist.“
Oliver versuchte, sich an seine Gedanken zu erinnern. Eben hatte er doch
noch gewusst, wie der Lösungsweg begonnen werden musste. Er fixierte die
Zahlen an der Tafel und suchte nach der Erinnerung. Zumindest der Ansatz war
doch ganz einfach. Er nahm ein Stück Kreide. „Zuerst muss ... müssen ... die
Einwohner, ich meine die Studenten ...“ Plötzlich war sein Gehirn leer. Ein
schwarzes Loch. Unendlich.
Um irgendetwas zu tun, schrieb er die Zahlen ab. Sein Gefühl sagte ihm, dass
sie untereinander stehen mussten. Während die Kreide über die Wandtafel
schrappte, registrierte Oliver, wie das Gemurmel der Erleichterung in der
Klasse erstarb. War er auf dem Holzweg? Seine Finger schwitzten und hatten
Mühe, das Kreidestück zu halten. Unter seinen Achseln bildeten sich
Rinnsale.
„Und nun?“ Sass tippte mit dem Zeigestock auf die Zahlen. „Was gedenkt der
Herr damit zu tun?“
Oliver besserte mit dem angefeuchteten Zeigefinger einige Ziffern aus.
„Abziehen ...?“ Die Antwort klang eher wie eine Frage.
„Nur zu, junger Mann.“ Der Lehrer verzog das Gesicht. „Ich nehme an, du
meinst subtrahieren. Immerhin eine mathematische Operation. Aber so kommst
du in den negativen Bereich. Grob geschätzt hätten wir dann hunderttausend
unter Null. Negative Einwohner. Mal was anderes.“
Jemand kicherte verhalten.
Oliver starrte auf die Zahlen. Suchte in seinem Gehirn nach einer Lösung.
Also doch nicht abziehen? Aber addieren ergab auch keinen Sinn. Er spürte
Schweiß auf Stirn und Nacken und schielte unauffällig zur Uhr. Es musste
doch gleich läuten. Sass konnte ihn doch nicht die ganze Pause mit dieser
bescheuerten Aufgabe quälen!
„Auf dem Zifferblatt findest du die Lösung nicht“, bellte der
Oberstudienrat. Dann seufzte er genervt und wandte sich an die Klasse. „Wer
löst dieses Spatzenhirn ab?“
Wattläufer
Das
Schwert des Henkers blitzte in der Mittagssonne und sandte grelle Reflexe über
die Köpfe der Menge, die sich auf der Amtmannsweide in Ritzebüttel
eingefunden hatte, um das seltene Schauspiel der Hinrichtung zu erleben. Bald
würde die Gerichtsstätte auf einen Hügel zwischen Stickenbüttel und
Sahlenburg verlegt. Dort wurde ein Galgen errichtet, und dann würde die
Todesstrafe nur noch durch Erhängen vollzogen werden – ein weit weniger
erregendes Schauspiel.
Gelegentlich
zuckte ein Zuschauer zusammen, wenn der vom Schwert reflektierte Sonnenstrahl
seine Augen traf. Doch blinzelnd riss er sie wieder auf, um nur ja nicht den
Hieb zu verpassen, der den Kopf des Mannes vom Rumpf trennen würde.
Auch
Katharina kniff die Augenlider zusammen, doch das geschah aus dem unbewussten
Gefühl heraus, die Figuren der Szene dadurch besser erkennen zu können.
Obwohl sie sich am Rande des Platzes in größtmöglicher Entfernung vom
Geschehen hielt, war ihr, als ruhte der Blick des zum Tode Verurteilten nur
auf ihr. Und in seinen Augen glaubte sie die Gewissheit eines Mannes zu
erkennen, der mit seinem Leben abgeschlossen hatte und dem das Gefühl der
Furcht Zeit seines Daseins fremd geblieben war. Der weder Tod noch Teufel und
schon gar nicht den Gottesmann fürchtete, der ihn zum Gebet anhalten wollte.
Mit wüsten Flüchen verscheuchte er den Schwarzrock.
Zu
den Klängen von Trommlern und Pfeifern trat nun der Barbier auf das Blutgerüst,
um dem Mann die wild wuchernde rote Mähne zu stutzen und seinen Nacken
freizulegen. Der Todgeweihte ließ sich bereitwillig das Hemd vom Oberkörper
nehmen und fiel auf die Knie, was die Menge mit einem halb erstaunten, halb
bewundernden Raunen quittierte. Während die Schergen dem Mann die Hände auf
dem Rücken fesselten, begann der Barbier mit ausholenden Bewegungen die
Prozedur des letzten Haarschnitts.
Regungslos
beobachtete der Henker aus einigen Schritten Entfernung den Vorgang, das
blitzende Richtschwert in den Händen haltend. Er trug eine blutrote
Pluderhose über schwarzen Beinlingen, dazu ein schwarz-rotes Wams und einen
dunklen Umhang. Über der Schulter lag eine Kapuze, die in der gleichen Farbe
wie die Hose leuchtete. Katharina fragte sich, ob er sie über den Kopf ziehen
würde, um sich vor dem bösen Blick zu schützen, der ihn im Augenblick des
Todes aus den Augen des Hingerichteten treffen würde.
Der
Barbier hatte sein Werk vollendet und verließ das Gerüst. Während die
Henkersknechte den Mann aufhoben und zu einem Schemel stießen, gesellten sich
zu den Klängen der Pfeifer und Trommler die Fanfaren der Trompeter.
Erneut
ging ein Raunen durch die Menge, als der Henker mit einer knappen Bewegung der
Schulter seinen Umhang abwarf.
Die
Pfeifen wurden schriller, die Trompeten lauter, die Trommeln hektischer. In
gemessenen Bewegungen näherte sich der Henker dem Delinquenten, zog die
Kapuze über den Kopf und hob sein Schwert.
Die
Menschen hielten den Atem an.
"Was
wird dem Mann vorgeworfen?", fragte eine Stimme neben Katharina. Sie
wandte den Kopf. "Das ist der Rote Claas", flüsterte sie, als würde
das alles erklären.
In
diesem Augenblick brach die Musik ab. Katharina richtete den Blick rasch
wieder nach vorn. Blitzartig führte der Henker das Schwert in einer einzigen
Bewegung zuerst in die Höhe, dann in die Waagerechte und ließ schließlich
die Spitze zu Boden sinken.
Katharina
blinzelte. Was war geschehen? Hatte er den Hals des Opfers verfehlt? Der Kopf
des Roten Claas hatte sich nicht bewegt. Mit Getöse setzte das Spiel der
Musikanten wieder ein, und der Henker griff in das leuchtende Haupthaar seines
Opfers. Er hob den abgetrennten Kopf in die Höhe und rief dem Richter zu:
"Habe ich wohl gerichtet?" Der Richter nickte. Seine Antwort ging im
Gelärm der jubelnden Menge unter. Katharina wusste, dass er die Frage zu
bejahen und den Henker von der Blutschuld freizusprechen hatte.
"Wer
ist der Rote Claas?", fragte der Fremde neben Katharina. "Und warum
wurde er nicht gehenkt?"
"Das
Gerüst auf dem Galgenberg ist noch nicht vollendet", antwortete sie.
"Und er ist ..., er hat ..." Ihre Stimme versagte. Eilig schulterte
sie ihr Bündel und stürzte davon. Die Tat des durch das Schwert Getöteten
war jedermann bekannt. Mochten andere dem Fremden Auskunft geben. Sie würde
nicht über den Roten Claas sprechen können. Über den anderen vielleicht,
den geheimnisvollen, zärtlichen Claas, den Claas, der sie zum Lachen gebracht
hatte. Der sie verzaubert hatte. Mit dem sie ein Geheimnis teilte – geteilt
hatte. Die Erinnerungen ließen sich nicht verbannen. Mit tränenverschleiertem
Blick stahl sie sich abseits der Wege von der Ritzebütteler Amtmannsweide an
Häusern und Siedlungen vorbei und machte sich auf den Weg nach Lüdingworth,
wo sie die Nacht bei Leuten verbringen würde, die ihr gewogen waren.
Am
Morgen würde sie weiterziehen. Vor ihr lag eine ungewisse Zukunft, denn bei
ihrer Herrschaft in Sahlenburg konnte sie nicht bleiben. Man würde sie vom
Hofe jagen, wenn ihr Zustand sichtbar wurde. Und ihre Eltern würden sie
verstoßen, wenn sie von der Schande erfuhren.
Während
Katharina mit tränenblinden Augen auf sandigem Weg den schrecklichen Ort
verließ, fand der Fremde einen mitteilsamen Bürger, der bereitwillig von der
Untat des Roten Claas berichtete.
Obwohl Jörg Rascher
seinen kleinen Sprengsatz gründlich vorbereitet hatte, benötigte er mehrere
Stunden für die Installation. Seine Befürchtung, das Handy könnte im Keller
der Villa keinen ausreichenden Empfang haben, hatte sich nicht bewahrheitet.
Die Auslösung des Schalters durch die Vibration beim Anruf funktionierte
zuverlässig, sodass der Stromkreis zu den Zündkapseln sicher geschlossen
wurde. Nur die Anbringung des Benzinkanisters bereitete Probleme. Zwei Mal
musste er das Haus verlassen, um geeignetes Befestigungsmaterial zu holen.
Schließlich war seine Installation vollständig und funktionsbereit.
Ein Anruf würde genügen, um den Zündmechanismus zu aktivieren. Rascher
hoffte inständig, dass es nicht dazu kommen würde. Wenn die Werte, die er
hier vermutete, vernichtet würden, wäre die Aussicht auf einen baldigen
Ruhestand unter südlicher Sonne dahin. Darum war es wichtig, die andere Seite
über die Gefahr zu informieren. Wenn die kapieren, dass sie ohne mich nicht
an die Sachen herankommen, bin ich auf der sicheren Seite. Und Susannes Kinder
auch.
Im Schein seiner Taschenlampe tarnte er sorgfältig den Zugang zum
Versteck. Als er das Haus durch das Fenster wieder verließ, war bereits die
Nacht hereingebrochen. Das Licht der Straßenlaternen beleuchtete den vorderen
Teil des Parks, hinter dem Haus war es nahezu dunkel. Angestrengt versuchte
er, mit den Augen die Dunkelheit zu durchdringen, um sich zu vergewissern,
dass niemand ihn beobachtete. Er bewegte sich vorsichtig unter den Bäumen in
Richtung Zaun. An der schmalen Pforte, die durch ein schweres Schloss
gesichert war, vergewisserte er sich noch einmal, dass niemand in der Nähe
war. Dann erklomm er den Mauersockel, in den die schmiedeeisernen Gitter
eingelassen waren, und zog sich hoch. In dem Augenblick, als er sich über die
spitzen Verzierungen des Zaunes schwang, vernahm er ein leises Lachen.
Unter ihm, auf dem Fußweg, der außen am Grundstück vorbei führte,
stand mit verschränkten Armen ein Mann, der ihn offensichtlich erwartet
hatte. "Mach keine Dummheiten", befahl der Unbekannte und richtete
den Lauf einer Pistole auf Rascher.
Die Tote im Leinekanal
Der Mann, der Laura
töten würde, war voller Unruhe. Wieder und wieder trieb ihn die Rastlosigkeit
durch die Wohnung. In der Küche öffnete er den Kühlschrank und nahm sich ein
neues Bier. Während die schäumende Flüssigkeit in den Rachen strömte,
schnippte er die Verschlusslasche aus dem offenen Fenster.
Wenn
die Schnecke da wäre, dachte er, könnte ich ... Aber sie will solche Sachen
nicht. Höchstens, wenn sie besoffen ist.
Er
warf die leere Bierdose ebenfalls hinaus und suchte im Kühlschrank nach etwas
Essbarem. Doch neben ihren Joghurtbechern fanden sich nur ein Stück
Schnittkäse und ein Ende Fleischwurst. Er biss ein Stück von der Wurst ab und
legte sie angewidert zurück. Dann lieber noch ein Bier. Diesmal
schnippte er die Lasche in Richtung Abfalleimer, traf aber daneben.
Achselzuckend
verließ er die Küche.
Scheiße
mit den Tussen. Wenn man sie braucht, sind sie nicht da. Und er brauchte
dringend eine. Bis sie von der Arbeit kam, vergingen noch Stunden.
Blödes
Weib, ging arbeiten für die paar Kröten. Andererseits, wenn sie da gewesen
wäre, hätte er sich nicht das geile Video reinziehen können. Außerdem – wenn
sie tagsüber aus der Wohnung war –, konnte er ungestört seine Deals machen.
Oder mal ’ne Tusse mitbringen. Für
so Sachen wie auf dem Video. Aber mit den meisten war auch nicht viel los.
Selbst die Nutten brachten nicht das, was er wollte.
Nur
einmal war’s richtig geil gewesen. Als er das Messer dabei hatte. War
eigentlich mehr Zufall gewesen. Aber die Alte war plötzlich sehr
entgegenkommend geworden. Danach hatte er immer ein Messer mitgenommen.
Er
durchsuchte seine Taschen. Keine Kohle. Jedenfalls nicht genug für das, was
er jetzt brauchte. Wurde Zeit, dass er ein cooles Ding drehte.
Am
liebsten würde er mal mit ihrer Freundin Laura ... Bloß, dass er dann Ärger
kriegen würde. Im Suff hatten sie schon mal über ’ne Sache zu dritt
gequatscht. Sie wollte lieber was mit zwei Jungs machen. Aber nichts mit
Fesseln und so. Und Laura konnte ihn nicht so gut ab. Wenn er ihr allein begegnete,
war sie immer ziemlich abweisend. Dabei war sie bestimmt total geil. So gut
geformt. Besonders hinten. Kam wohl von der Lauferei. Wenn er sich
vorstellte, wie er sie ... Wenn seine Schnecke nicht da war. Theoretisch
könnten sie jede Woche ...
Wütend
schleuderte er die leere Bierdose gegen die Wohnungstür. Ein dünnes Rinnsal
lief aus halber Höhe die Tür hinab und tropfte auf den Fußboden.
Er
starrte auf die leere Dose, ohne sie wahrzunehmen. Hier hielt er es nicht
länger aus. Irgendwo musste sich doch eine finden lassen, mit der er ... auch
ohne Kohle.
Als er nach seiner Jacke griff, klingelte
es. Genervt riss er die Wohnungstür auf.
Und
öffnete verblüfft den Mund. Aber er musste sich erst räuspern. Und bevor er
etwas sagen konnte, sprach die Besucherin.
„Hallo.
Entschuldige die Störung. Bei mir geht das heiße Wasser nicht. Kannst du mal
nachsehen?“
Laura.
Im Bademantel.
Letzter Abflug Calden
Als das Mädchen schrie, legte sich eine
Hand über ihren Mund. Jetzt war nur noch ein schwaches Wimmern zu hören. Vorhin
hatte sie noch gelacht.
Vorhin.
Während die Jungen sie
über den Zaun des Freibades gehoben hatten. Wobei es seine Rolle gewesen war,
den Stacheldraht niederzudrücken. Mit angestrengten Augen hatte er die
Dunkelheit zu durchdringen versucht. Hannelore trug einen orangenfarbenen
Minirock und eine weiße Bluse, die vorn zusammengebunden war. Darunter ihren
Bikini, wie sie kichernd zugegeben hatte, als die Jungen sie zum nächtlichen
Nacktbaden überredet hatten. „Aber den behalte ich an“, hatte sie gesagt,
„ihr könnt ja nackt baden.“
Im Schwimmbecken hatte
sie das Oberteil dann doch gelöst und auf den Beckenrand geworfen.
Hannelore.
Sie lebte in seiner
Straße. Seit er ein kleiner Junge war, hatte er ihr langes, schwarzes Haar
bewundert, später hatte er sich in ihre dunklen Augen und den hübschen roten
Mund verliebt. Noch später, als sie die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden
trug, als die kleinen, spitzen Brüste runder und voller geworden waren und
nachdem er die winzigen Härchen entdeckt hatte, die am Beinansatz ihres
Badeanzuges hervorkräuselten, war sie seine Geliebte geworden. In seiner
Vorstellung. Abend für Abend hatte sie ihn geküsst und gestreichelt. Was
niemals lange dauerte.
Sie war eine Schönheit, mindestens
zwei Jahre älter als er und schon darum unerreichbar. Hannelore flirtete
heftig mit allen jungen Männern des Viertels, aber niemals ging sie länger
mit einem. Ihn übersah sie. Man erzählte sich, dass sie jeden fallen ließ,
nachdem sie „es“ mit ihm getan hatte. Eines Tages, wusste er, würde sie ihn
erwählen, ihn küssen und „es“ mit ihm tun. Nur mit ihm. Darum musste
sie ihn vorerst „übersehen.“ Und sie würde ihm versichern, dass all die
schlimmen Geschichten über sie erfunden waren. Er würde ihr glauben.
Trotz des kühlen Wassers
pulsierte sein Blut heiß und drängend. Die leiseste Berührung hätte ihn zur
Explosion gebracht. Während die Jungen durch das Becken kraulten oder im
Nichtschwimmerabteil versuchten, sich gegenseitig unter die Oberfläche zu drücken,
registrierte er aus den Augenwinkeln, dass es den anderen kaum anders erging.
Abwechselnd drängten sie
sich an Hannelore, umarmten sie spielerisch, um sie zu tauchen. Aber das
Mädchen entwand sich geschickt ihren Griffen, lachte hell und schadenfroh,
wenn einer der Jungen nach Luft schnappte und sich die Augen rieb, weil sie
seinen Kopf ins Wasser gedrückt hatte.
Ein seltsames Gefühl
breitete sich in ihm aus. Stolz? Glück? Zufriedenheit? Er war stolz, weil
seine Männlichkeit den anderen ebenbürtig war. Glücklich, Hannelore zu sehen,
sie sogar berühren zu können. Zufrieden, weil die anderen Jungen ihn, den
Außenseiter, mitgenommen hatten.
Später hockten sie atemlos am
Beckenrand. Die Erregung war geblieben und ließ sich trotz der Dunkelheit
kaum verbergen. Hannelore tat, als bemerkte sie nichts. Als die Wolkendecke
zerriss und Mondlicht hervorbrach, suchte sie nach ihrem Oberteil. Doch einer
der Jungen war schneller, schnappte es sich und rannte zur Liegewiese.
Hannelore und die anderen im Pulk hinterher. In einigem Abstand folgte er
ihnen. Es gab eine Rangelei. Plötzlich war Hannelores Höschen verschwunden.
Sie beschimpfte die Jungen und wehrte ihre Hände ab.
Fasziniert und erregt, angezogen und
abgestoßen zugleich, starrte er auf den sich windenden Körper. Hannelore war
eine Frau, eine richtige Frau. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er eine
Frau nackt. Helle Haut, hervorspringende Brüste mit dunklen Warzen. Schwarze
Haare. Auch da unten. Ein Schauer erfasste seinen Körper, ballte sich zu
einem Strom, wirbelte durch den Kopf, den Rücken hinab durch alle Glieder und
ging schließlich über in ein unkontrollierbares Zucken. Gerade noch konnte er
sich abwenden, damit die anderen nicht sahen, was mit ihm geschah.
Ob sie gesehen hatte ...? Vorsichtig
wandte er den Kopf.
Sie wand sich unter den Griffen der
kichernden Jungen. Zwei hielten die Beine, einer die Arme. Die Beine waren
gespreizt.
„Los, komm“, rief einer der Jungen, „du
als erster.“
Grobecks Grab
Wenn er ins Bett zurückkehrte
und der Schlaf nicht wiederkommen wollte, träumte er sich in die Caprisonne
und ließ der Einladung an eine der hübschen jungen Frauen eine Fortsetzung
folgen. Zuerst gewährte sie ihm tiefe Einblicke, später trafen sie sich im
Kaiser-Wilhelm-Park, wo sie hinter dichtem Buschwerk ihre Kleider ablegte.
Und dann bot sie sich ihm dar wie eines der Mädchen aus dem Fotomagazin, das
ihm ein Vertreter für Stopf- und Nähgarne zum Preis eines Oberhemdes
überlassen hatte. Vierundzwanzig Frauen in atemberaubenden Posen standen ihm
zur Verfügung. Aber meistens wählte er die Dunkelblonde auf Seite drei. Sie
hielt ihre Brüste mit den Händen umfasst und sah ihm aufmunternd zu, wenn er
sein Opfer brachte.
Außerdem hatte sie ein wenig
Ähnlichkeit mit Gerda Neumann. Gerda trug ihr dunkelblondes Haar ebenso zum
Pferdeschwanz gebunden, bevorzugte bunte, schwingende Kleider und Röcke und
lachte gern und viel, wobei ihre Wangen zwei Grübchen zeigten und ihre
braunen Augen übermütig blitzten.
Neumanns besaßen ein
Elektrogeschäft in der Groner Straße. Anton nutzte jede Gelegenheit, die dort
ausgestellten elektrischen Bügeleisen, Staubsauger und UKW-Radios zu bewundern
und die Bilder der Sängerinnen und Sänger zu betrachten, deren Schallplatten
angeboten wurden. Neuerdings konnte man an einer kleinen Bar im hinteren Teil
des Ladens die Platten vor dem Kauf anhören. Man zog eine Art Telefonhörer
aus der Halterung, dessen Hörmuschel mit rosafarbenem Schaumgummi überzogen
war, während Herr Neumann – wenn man Glück hatte, auch Gerda – unter der
Theke die Nadel aufsetzte. Gerda musste sich dabei vornüber beugen, und Anton
konnte einen Blick auf die Ansätze ihrer Brüste erhaschen. Dazu erklang die
Musik direkt im Ohr, ohne dass andere Kunden gestört wurden. Mehrmals hatte er
sich von Gerda die neuesten Platten vorspielen lassen: Elvis Presley, Peter
Kraus und Conny Froboess. Fred Bertelmanns »Der lachende Vagabund« gefiel ihm
besonders. Durch die Welt reisen, ungebunden, von den Frauen verwöhnt, ohne
nörgelnde Mutter. Was für ein Leben!
Nachdem Gerda allerdings mit
unüberhörbarer Betonung angemerkt hatte, dass mit der Anlage dem Kunden die
Auswahl erleichtert werden sollte, wagte er sich nur noch gelegentlich in
Neumanns Laden. Dann leistete er sich eine Schallplatte und versteckte sie
unter der Matratze neben dem Fotomagazin. Eines Tages würde er einen
Plattenspieler besitzen, sagte er sich und wusste zugleich, dass seine Mutter,
solange sie lebte, diese Ausgabe niemals erlauben würde.
Gerda war die Frau seines
Lebens, doch das wusste niemand, auch Gerda nicht, die ihn freundlich
behandelte, aber sich nicht darum kümmerte, wenn er versuchte, ihren Blick
festzuhalten.
Wahrscheinlich hatte sie längst
bemerkt, dass Anton Grobeck nicht so forsch und aufrecht ging, wie eine junge
Frau es von einem Mann erwartete. Zwar versuchte er, durchaus mit einigem
Erfolg, den leichten Gehfehler zu kaschieren, aber wenn er nicht darauf
achtete, verursachte sein von Geburt an zu kurzes linkes Bein bei jedem
Schritt eine leicht schwankende Bewegung des Oberkörpers. »Schiefer Anton«
hatten sie ihn bei der HJ genannt und ihn nur für niedere Dienste eingeteilt.
»Du kannst froh sein«, hatte seine Mutter den Schmerz noch verstärkt, »so
kommst du nicht zum Volkssturm.«
ZURÜCK
|